
Lesenswert!
Historische Gesellschaft Graubünden
Bündner Gerichtsfälle seit 1500
Ein Beitrag zum Jubiläum «500 Jahre Freistaat der Drei Bünde»
gebunden
Historische Gesellschaft Graubünden
2024 sind zu „500 Jahre Freistaat der Drei Bünde“ einige Bücher erschienen, eines davon befasst sich mit Gerichtsfällen seit 1500 bis heute. Eine Arbeitsgruppe der Historischen Gesellschaft Graubünden legt 24 Gerichtsfälle zwischen 1486 – 2009 vor, alle kommentiert in heutiger Sprache und viele dokumentiert mit Originaldokumenten in der damaligen Sprache.
Dabei sehr schön zu lesen ist die Entwicklung der Sprache. Zum Beispiel 1588 wurde bei Gericht über Möglichkeit der Verheiratung einer Minderjährigen in Sarn anders gesprochen als 1960 bei den Verhandlungen der damaligen HOVAG, heute EMS-Chemie, bei Patentfragen für die Herstellung von Kunstfasern, damals bekannt unter dem Namen Grilon.
Die Herausgeber achteten bei der Auswahl auf regionale Ausgewogenheit, die Schauplätze reichen von Fläsch bis Tirano. Im Vorwort schreiben Florian Hitz und Reto Weiss: „Anhand von Gerichtsfällen zeigen sich Machtverhältnisse und Besitzgefälle, werden wirtschaftliche und soziale Dynamiken spürbar.“ Beim Lesen der Urteile wird spürbar, dass Rechtsprechung oft den jeweiligen Machtverhältnissen geschuldet war. So ist heute nicht mehr vorstellbar, mit welchen Argumenten Menschen als Hexen hingerichtet wurden oder zum Beispiel 1618 im berühmten „Strafgericht von Thusis“ unter Mitwirkung von Georg Jenatsch, damals Pfarrer in Scharans, Macht konzentriert wurde. Zwischen dem 15.8.1618 und Ende September 1618 fällte das Gericht 157 Urteile, davon 10 Todesurteile und 22 Verbannungen, die Folter wurde öfters angewendet. Angeklagt waren Menschen, weil sie der falschen Partei angehörten und nicht weil sie Verbrechen begangen hatten.
Zu lesen ist auch ein Fall über „illegalen“ Buchvertrieb im Jahre 1713. Darin kommt sehr schön zu Geltung, wie wichtig schon damals Bücher waren und welche Sprengkraft ihnen zugeschrieben wurde. Die Sprengkraft der Bücher ist geblieben, Prozesse gegen das Verkaufen und Lesen von Büchern gibt es heute keine mehr.
Das Buch ist gut zu lesen, mit reichen Quellenangaben eignet es sich gut als Einstieg in die Bündner Geschichte und es beweist einmal mehr: Bücher erleichtern den Zugang zur Vergangenheit, helfen die Gegenwart besser zu verstehen und öffnen Möglichkeiten für die Zukunft.