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Lesenswert!

Margrit Cantieni

Eine Schachtel voller Lügen

Roman nach einer wahren Geschichte

236 Seiten, kartoniert,
Cancas Verlag
ISBN

Franka, aufgewachsen in der Enge eine Bündner Dorfes, ärmlichen Verhältnissen und einer zerrütteten Familie, sehnt sich nach der Weite der Welt. Kurz vor ihrer Volljährigkeit reist sie still und heimlich und mithilfe der gefälschten Unterschrift ihrer Mutter zu Henry nach Casablanca, den Kopf voller Pläne und Ideen. Viel weiss sie nicht über den Mann, mit dem sie zusammenlebt, ganz im Gegenteil zu den Schweizer Behörden. Denn diese kennen Henry und sind der Meinung, dass Franka vor ihm bewahrt werden muss. Mit viel Druck zwingen sie die junge Frau wieder zurück in die Schweiz, wo ihr ein liderliches Leben unterstellt wird, ganz egal, was Franka selbst sagt. Sie wird kurzerhand unter Vormundschaft gestellt und in ein Erziehungsheim für liderliche Mädchen verfrachtet. Und auch wenn ihr die Flucht gelingt, wird ihr Leben weiterhin von Menschen diktiert, die laut offiziellen Papieren mehr zu sagen haben und danach in eine Schachtel gequetscht, gespickt mit unschönen Tatsachen und ausgeschmückten Unwahrheiten.

Margrit Cantieni, Autorin aus Chur, widmet ihr drittes Buch dem dunklen Kapitel der Sozialgeschichte unseres Kantons und der Schweiz, welches für viele Menschen einschneidend war und bis heute nachhallt. Margrit Cantienis einfühlsame Sprache in Kombination mit genauen Recherchen – einer Kunst für sich, welche die Autorin bereits in den vorherigen Bücher unter Beweis gestellt hatte - machen es den Lesenden leicht, sich auf Franka und ihre Geschichte, welche auf wahren Tatsachen beruht, einzulassen.

Denn Frankas Schicksal macht wütend, ja. Hilflos aber nicht. Auch wenn über Franka entschieden wurde, ohne sie jemals nach ihren Wünschen zu fragen. «Als ob ich selbst ein Stück Stoff wäre, an dem man zerren und es nach fremden Wünschen zuschneiden kann», wie sie selbst sagt. Allen Widrigkeiten zum Trotz glimmen ihre Wünsche, ihr Ich, ihre Hoffnung weiter, wie bei einem Feuer, welches im Ofen vergessen wurde. Und wie es bei einer guten Glut ist – ein paar Funken genügen und das Feuer lodert wieder. Und doch wird aus Frankas glimmender Glut kein Flächenbrand der Wut. Denn Margrit Cantienis Buch ist keine Geschichte über Vergeltung, es ist ein Buch über Sehnsucht nach Freiheit und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben. Ein wichtiges Buch, von welchem wir lernen können und müssen, um weiterhin dafür sorgen, dass keine Funken der Hoffnung mehr im Keim erstickt werden und Menschen frei leben dürfen, auch wenn ihr Leben in keine Schachtel oder Schublade passt.

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