
Lesenswert!
Sophie Hunger
Walzer für Niemand
192 Seiten, gebunden,
Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-00324-6
Der Name Hunger hat seinen Ursprung im Safiental. Der erste Roman von Sophie Hunger hat wohl unverkennbar autobiographische Merkmale. Es handelt sich um eine gemeinsame Kindheit mit dem Knaben «Niemand». Die zwei Diplomaten-Kinder sind sich fast ausschliesslich selbst überlassen werden. Die wechselnden Wohnorte wie Schulklassen, wegen des beruflichen Umfeldes ihrer Eltern, bewirken für deren Kinder eine Isolation vom gewöhnlichen Alltag anderer Kinder. Sie sind aufeinander angewiesen und unzertrennlich. «Obwohl wir fleissig in der Schule fehlten, waren wir nie krank. Wir widersetzten uns jeder Form von medizinischer Untersuchung und der damit verbundenen Diagnose. Es war keine Challenge oder Ausdruck sozialen Widerstandes, es war eine höchst persönliche Entscheidung. Diagnostik führe zur Verletzung der menschlichen Würde, hast du gesagt.» Der Roman ist in der Ichform (Sophie) geschrieben. Die unbezähmbare Unabhängigkeit der Kinder im Denken, Fühlen und Handeln wurzelt in der Musik und in der Zweisamkeit. Ein ganz persönlicher Zugang entwickelt sich bei den Kindern beim Musikhören und Improvisieren, ohne eigentlichen Musikunterricht. Es ist ein Aufwachsen mit dem Zauber und der elementaren Kraft der Musik. Doch die innige Freundschaft der Kinder wird im Erwachsenenalter zerbrechlich.
Die Diplomatentochter und Autorin Sophie Hunger bleibt beim Schreiben authentisch wie bei ihrer sängerischen Gestaltungskraft. Sie setzt ihre eigenen Werte beim Schreiben, Komponieren, Singen, Spielen oder Tanzen ein. Im Roman «Walzer für Niemand» besinnt sie sich auf ihre Ahninnen, die Walserinnen. Hunger ist der Frauenname von Sophies Mutter. Die Faszination über das völkerkundliche Phänomen Walsertum, lässt Sophie tropfenweise in die Geschichte einfliessen. «Am Anfang war die Bewegung. Keiner war schon immer hier gewesen. Die Walserinnen gingen aus diesen Siedlern hervor. Von einer unbändigen Unrast geplagt und gesegnet, schwärmten diese deutschsprachigen Wesen ab dem Jahr 1000 auf den alpinen Hochebenen aus, um die höchstgelegensten Alpensiedlungen zu errichten.» Der raffiniert ausgestattete Roman enthält Tatsachen, Wünsche, Vorstellungen und Sagenhaftes einer selbstreflektierenden Frau. Sophie Hunger bewegt sich mit Feingefühl in den Urgründen des Kunstschaffens sowohl beim Musizieren wie beim Schreiben.