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Lesenswert!

Andreas Neeser

Wie wir gehen

216 Seiten, gebunden,
Haymon Verlag
ISBN 978-3-7099-3485-2

Der Buchtitel lässt uns im Ungewissen. Doch die Lektüre führt sofort in die Generationengeschichte einer Schweizer Familie hinein. Mona steht mitten im Leben. Von Pierre hat sie sich getrennt, ihre Tochter geht zunehmend eigene Wege. Die Beziehung von Mona zu ihrem Vater Johannes steht im Zentrum. So lange Zeit ist, möchte Mona mit ihrem Vater ins Gespräch kommen. Sie möchte die Leere zwischen ihnen aufbrechen. Den spärlichen Zugang zu diesem spröden, gebrochenen Mann findet sie durch ein Diktiergerät. Die Erzählung des Vaters dauert siebenundvierzig Minuten. Für Mona öffnen sich mit diesem digitalen Schatz Herz und Sinne für den kranken Vater. Dessen Kindheit als Verdingbub auf dem Bauernhof seines Onkels wie die Armut seiner Eltern haben die Lebenseinstellung niedrig gehalten. Die Sprachlosigkeit, ja das Unvermögen über Gedanken und Gefühle zu reden hat das Familienleben durch drei Generationen hindurch bis in die Gegenwart schwer gemacht. Mona bemüht sich, selbst aus diesem Seelengefängnis herauszuwachsen. Sie übt eine neue Offenheit im Umgang mit ihrer selbstbewussten Tochter.

Der Autor Andreas Neeser, geboren 1964, versteht es, die Nebengeschehnisse in realistischer Nüchternheit einzubauen. Er schafft damit ein Zeitbild der Nachkriegsjahre im schweizerischen Mittelland. Er spannt den Bogen vom Existenzkampf mit Heimarbeit über Krankheit, Resignation bis hin zur Flüchtlingspolitik und materiellem Wohlstand in der Gegenwart. Im Fokus des Romans stehen die Beziehungen der Familienglieder untereinander. Wie kann man sich näherkommen, ohne einander zu erdrücken, wie unabhängig sein, ohne sich völlig zu distanzieren? Die Geschichte lässt uns in den Spiegel der eigenen Familienbeziehungen schauen und zeigt auf: Wie wir gehen… Die Sprache im Buch ist klar und voller poetischer Kraft.

Empfohlen von Elisabeth Bardill

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